Pflegereform

Die Menschen die zur Bewältigung des Alltags Hilfe brauchen, warten seit Jahren darauf, dass die Gesellschaft die blinden Flecken in der Pflegeversicherung bearbeitet. Schlagzeilen und Forschungen, die dieses Warten begleiten haben wir für Sie nach Jahren sortiert.
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[September 2008]

Wie werden ehrenamtliche Initiativen gefördert?

Die Pflegereform 08 soll auch die Förderung von Selbsthilfegruppen und ehrenamtlichem Engagement erleichtern. Der GKV-Spitzenverband veröffentlicht eine aktuelle Fassung des „Leitfaden zur Selbsthilfeförderung“. Die Pflegeversicherung kommt auch drin vor: „Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen können … Fördermittel nach §§ 45 d. i.V.m. 45 c SGB XI beantragen … Die Angebote der Selbsthilfe sind hier nur förderfähig, wenn sie sich an Pflegebedürftige, an Menschen mit erheblichen allgemeinen Betreuungsbedarf (Einschränkung der Alltagskompetenz im Sinne von § 45a SGB XI) oder auch deren Angehörige richten.“ (GKV 2008, S.21) Es sollte möglich sein, bei der örtlichen Pflegekasse zu erfahren wer gefragt werden muss, um einen solchen Antrag schreiben zu können.

[Quelle: GKV Spitzenverband, pdf Datei]Trennlinie

[19.8.2008]

Richtlinien zu "Zusätzlichen Betreuungskräften"

Die Pflegereform hat einige Verbesserungen für Demenzkranke gebracht. Zum Beispiel können in der stationären Pflege zusätzliche Betreuungskräfte eingestellt werden. Zuwendung, Betreuung, Aktivierung, Wertschätzung, Teilhabe, Gemeinschaftserlebnisse ... so beschreiben die Richtlinien die Ziele der Arbeit der zusätzlichen Betreuungskräfte.
Professor Zegelin kritisiert an diesen Vorschlägen, dass sie realitätsfern seien. Alle, die noch Bast-Untersetzer machen könnten, lebten noch zu Hause und nicht in einem Altenheim, sagt die wittener Pflegewissenschaftlerin.
Menschen, die auf stationäre Hilfen angewiesen sind, müssen mit erheblich größeren Einschränkungen ihrer Alltagskompetenz zurecht kommen und zeigen häufig Verhalten, mit dem sie sich selbst oder andere gefährden. Manchmal werden Pflegekräfte auch verbal oder körperlich angegangen. Schon heute werden Unterstützung und Förderung in den Häusern individuell gestaltet und müssen einbeziehen, dass jederzeit eine drastische Veränderung eintreten kann.
Es bestanden Hoffnungen, dass mit den Möglichkeiten der Pflegereform bestehende Projekte weiterentwickelt und ausgeweitet werden könnten. Diese Richtlinien lassen dazu, mit der Festschreibung auf einen 160 Stunden Kurs, wenig Raum. Auch wird zur Bezahlung der künftigen Angestellten nichts geschrieben. Das nur sozialversicherungspflichtig Beschäftigte über diese Regelung finanziert werden können ist klar. Aber wäre es möglich Psychologinnen, Altenpfleger, Geragogen oder Ergotherapeutinnen angemessen zu entlohnen? Falls nicht scheint es kaum vorstellbar, die angelernten Kräfte sinnvoll anzuleiten und die Qualität ihrer Arbeit im Alltag zu sichern.

   "Richtlinien nach § 87b Abs. 3 SGB XI zur Qualifikation und zu den Aufgaben von zusätzlichen Betreuungskräften in Pflegeheimen (Betreuungskräfte-Rl vom 19. August 2008)" von www.gkv-spitzenverband.de als pdf Logo Datei herunterladen.
   Beitrag der Frankfurter Rundschau zum Thema mit einem Zitat von Professor Zegelin (24.8.08)
Erklärungen auf www.pflegegrad.info zur Einstufung von Menschen mit DemenzTrennlinie

[28.7.2008]

Pflegebedürftigkeitsbegriff ist in Arbeit

Die Bundesgesundheitsministerin im Interview mit der Zeitschrift "Das Parlament":
Frage: Die körperbezogene Pflege, wie sie bisher noch gilt, wird es künftig also nicht mehr geben?
Ulla Schmidt: Derzeit wird darüber nachgedacht, wie der bisherige Pflegebedürftigkeitsbegriff sinnvoll weiterentwickelt werden kann. Wir haben dazu einen Beirat aus Wissenschaftlern und Verbänden einberufen. Dieser hat Vorschläge erarbeitet, nach denen sich die Feststellung der Pflegebedürftigkeit – die ist Voraussetzung der Leistungsgewährung – in Zukunft am Grad der Selbstständigkeit der pflegebedürftigen Person orientieren soll. Die Vorschläge werden derzeit in verschiedenen Regionen erprobt. Im November soll der Abschlussbericht vorgelegt werden.

[Quelle: Das Parlament, 28.7.08]Trennlinie

[1.7.2008]

Die Pflegereform wirkt - ab heute

Am Tag eins der Pflegereform beschreibt die Redaktion von heute.de Alltägliches aus einem Altenheim. Ob sich im Alltag viel ändern wird? Pro 25 Bewohner deren "erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz" bescheinigt wurde, soll es eine zusätzliche Personalstelle geben (näheres regelt eine Ausführungsbestimmung - irgendwann). Hier und da gibt es Listen mit den Neuerungen. Claus Fussek, seit vielen Jahren höchst engagiert unterwegs um vor allem die Lebensituation in Altenheimen zu verbessern, bekommt Raum um seine Kritik zu erklären.
Qualitätsüberprüfungen, mit dem Ziel schlechte Pflege erkennbar zu machen, stehen im Vordergrund eines Interviews der FR mit dem Geschäftsführer des MDS.
Im Sommer 2007 veröffentlichte der MDS einen Bericht zu Qualitätsprüfungen in Altenheimen der weitgehend missinterpretiert wurde und fast jede Redaktion zu Schlagzeilen motivierte. Bild allen voran. Die gute Nachricht der Verbesserungen in der Pflege findet deutlich weniger Beachtung.

Eine Gesellschaft, die ausführlich und aufgeregt über Rauchverbote und Dosenpfand streitet, die aber in der Pflege nichts Wesentliches bewegt sei kaum zu verstehen, sagt Claus Fussek.

   Claus Fussek im Interview zur Pflegereform (mp3 von der ARD)
   Ulla Schmidt zur Pflegereform (mp3 von der ARD)
   FR vom 30.6.: Interview mit Peter PickTrennlinie

[15.3. 2008]

Reaktionen auf die Beschlüsse des Bundestages

   „Nachhaltige Finanzierung nicht sichergestellt“ titelt die Homepage der Diakonie. Auch der Umfang der externen Qualitätsprüfungen für die es keine umfangreiche gesicherte pflegewissenschaftliche Basis gibt wird kritisch bewertet. Positive hebt der sozialpolitische Vorstand die verbesserten Leistungen für demenzkranke und die Pflegezeiten hervor.
   Die Leistungssteigerungen seien beachtlich und die Anpassung der Pflegestützpunkte an regionale Erfordernisse werden vom AOK Bundesverband begrüßt.
   Auch die Caritas betont das Finanzielle. Dort ist die Pressemitteilung überschrieben: „Pflegereform ohne nachhaltiges Finanzierungskonzept“ und die besseren Leistungen für Demenzkranke sowie die Einführung einer Pflegezeit werden begrüßt.
   ”Pflegereform mit Rechtsanspruch für Pflegezeit verabschiedet“ ist der Titel beim SoVD. Jährliche und unangemeldete Kontrollen werden als großer Fortschritt bezeichnet und die Einführung der Pflegezeit sehr begrüßt.
   Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) hebt hervor das auch Demenzkranke die keine Pflegestufe zuerkannt haben, Aufwendungen für entlastende Dienste wie Betreuungsgruppen, Helferinnenkreise und die Tagespflege bis zu maximal 200 € im Monat erstattet bekommen können.
Heike von Lützau-Hohlbein, erste Vorsitzende der DAlzG, kommentiert die Reform: „Es gibt eine Reihe von Ansatzpunkten, die Demenzkranken zu Gute kommen werden: Neben den verbesserten ambulanten Leistungen, gibt es künftig auch die Möglichkeit Leistungen in ambulanten Wohngemeinschaften zusammenzulegen und diese für Betreuungsleistungen zu verwenden. In letzter Minute wurde mit der Möglichkeit zusätzliches Betreuungspersonal einzustellen auch noch für die Versorgung Demenzkranker im stationären Bereich eine Verbesserung erreicht. Wir hoffen, dass die außerordentlich komplizierten neuen Regelungen des verabschiedeten Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes schnell und unbürokratisch umgesetzt werden und nicht neue Verwirrung stiften.“
   Die Süddeutsche Zeitung kommentiert: „Mit den höheren Einnahmen der Pflegeversicherung können die Pflegesätze angepasst werden. Das ist dringend nötig, denn sie wurden seit 13 Jahren nicht erhöht. Die Pflegebedürftigen trugen die steigenden Kosten alleine. Zuletzt mussten immer mehr alte Menschen Sozialhilfe beantragen, weil ihre Rente plus die Zuschüsse der Pflegeversicherung nicht für den Heimplatz reichten .“
   Elisabeth Scharfenberg (Grüne) rechnet ab: "Koalition verabschiedet Pflegereform mit einigen Lücken, wenig Mut und vielen Fehlern". Sie weist auch darauf hin, dass die Pflegekassen als Träger der Pflegestützpunkte nicht sehr vertrauenswürdig seien. Trennlinie

[14.3. 2008]

Der Bundestag hat beschlossen

   Statt bisher 460 Euro jährlich wird es je nach schwere der Behinderung 1200 oder 2400 Euro im Jahr für qualifizierte Betreuungsangebote für Demenzkranke geben. Stationäre Einrichtungen können mit zusätzlichem Geld Personal für die Pflege Demenzkranker einstellen.
   Anrecht auf – unbezahlte – Pflegezeit: Angestelle in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten können für die Pflege naher Angehöriger bis zu 6 Monaten Freistellung in Anspruch nehmen.
Unabhängig von der Betriebsgröße haben im akuten Pflegefall Beschäftigte das Recht, sich bis zu zehn Arbeitstage freistellen zu lassen, um für einen nahen Angehörigen eine gute Pflege zu organisieren.
   Pflegeeinrichtungen werden in Zukunft ohne Anmeldung kontrolliert – ab 2011 jährlich. Die wesentlichen Teile der Prüfberichte werden allgemeinverständlich formuliert. Sie müssen im Haus ausgehängt und veröffentlicht werden.
   Erstmals seit 1995 wird das Pflegegeld zum 1.7.08 erhöht. Für die Zukunft sind regelmäßige Anhebungen der Leistungen der Pflegeversicherung festgeschrieben. Es gibt auch Verbesserungen bei der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege.
   Pflegestützpunkte werden nicht bundesweit, sondern den Anträgen der Bundesländer entsprechend eingerichtet. Es gibt kein einheitliches Konzept, weil in einigen Ländern bereits eine große Anzahl von Pflegeberatungsstellen etabliert wurde. Organisation und Finanzierung der Pflegestützpunkte ist auch nach den Bundestagsbeschlüssen nicht klar geregelt, aber ein Rechtsanspruch auf kostenfreie individuelle Pflegeberatung für alle Versicherten gilt ab dem 1.1.2009.
   Pflegeheime müssen ihre Pflegekräfte nach den ortsüblichen Vergütungen entlohnen. Dies ist zukünftig Voraussetzung für die Zulassung eines Pflegeheims durch Versorgungsvertrag und für die Aufrechterhaltung der Zulassung.
   Ab dem 1.7.2008 steigt der Beitrag zur Pflegeversicherung auf 1,95 % (bzw. 2,2 % für Kinderlose).

Eine ausführliche Beschreibung der Veränderungen durch die Pflegereform können sie als PDF-Datei herunterladen. Trennlinie

[28.2. 2008]

Bund kommt Ländern entgegen

Die Spitzen der Koalitionsparteien aus Bund und den Ländern haben letzte Hand an diese Reformrunde angelegt. Knackpunkt, so war es vielfach zu lesen, seien die Pflegestützpunkte gewesen:
Pflegebedürftige und ihre Angehörigen klagen oft, dass es sehr schwierig ist sich im Gesundheitssystem zurecht zu finden. Besonders in der ersten Zeit bindet der organisatorische Aufwand viel Energie. Nachdem von der spektakulären Pflegezeit nicht mehr viel übrig ist, sollten Pflegestützpunkte flächendeckend für Abhilfe sorgen. Irgendwie sollte das von der Pflegekasse finanziert werden, wenn es aus dem Bundeshaushalt irgendwie eine Anschubfinanzierung gäbe ... am 28.2.08 berichtet der Frankfurter Rundschau: „Pflegebedürftige und ihre Angehörigen werden nach einer Koalitions-Einigung zur Pflegereform künftig weiter unterschiedliche Beratungsangebote in den Ländern vorfinden.” Das bringt weitere, neue organisatorische Fragen und vermutlich nur sehr wenige Antworten für die Menschen, die Unterstützung dringend bräuchten. Trennlinie

[Januar 2008]

Was alles ansteht in diesem Jahr

Sollte Ihnen in den wechselhaften politischen Debatten der Überblick über die geplanten Reformen verloren gegangen sein: jetzt gibt es Hilfe. Im 4. Bericht über die Entwicklung der Pflegeversicherung lässt das Gesundheitsministerium schreiben:
   Schaffung von Pflegestützpunkten
   Individualanspruch auf umfassende Pflegeberatung (Fallmanagement)
   Verbesserung der Rahmenbedingungen insbesondere für neue Wohnformen durch gemeinsame
   Inanspruchnahme von Leistungen
   Erweiterte Einsatzmöglichkeiten für Einzelpflegekräfte
   Schrittweise Anhebung der ambulanten und stationären Leistungen
   Ausweitung der Leistungen für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz und Einbeziehung von Menschen der so genannten Pflegestufe 0
   Verbesserung der Leistungen zur Tages- und Nachtpflege
   Leistungsdynamisierung
   Erhöhung der Fördermittel zum weiteren Ausbau niedrigschwelliger Betreuungsangebote sowie für ehrenamtliche Strukturen und die Selbsthilfe im Pflegebereich
   Einführung einer Pflegezeit für Beschäftigte
   Stärkung von Prävention und Rehabilitation in der Pflege
   Ausbau der Qualitätssicherung und Weiterentwicklung der Transparenz
   Unterstützung des generationsübergreifenden bürgerschaftlichen Engagements
   Abbau von Schnittstellenproblemen, Förderung der Wirtschaftlichkeit
   Stärkung der Eigenvorsorge
   Anhebung des Beitragssatzes um 0,25 Prozentpunkte
   Portabilität der Alterungsrückstellungen auch im Bereich der privaten Pflege–Pflichtversicherung”

Quelle: "Vierter Bericht über die Entwicklung der Pflegeversicherung"
veröffentlicht im Januar 2008 vom Bundesgesundheitsministerium, Seite 20 Trennlinie


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