Besondere Bedarfskonstellationen
Pflegebedürftige mit außergewöhnlich hohem Hilfebedarf können dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn die Rechnung zu den Gesamtpunkten weniger als 90 ergibt. (§ 15 Abs. 4 SGB XI ⇗)
Als besondere Bedarfskonstellation ist bisher ausschließlich die Gebrauchsunfähigkeit beider Arme und beider Beine anerkannt. In dieser Situation kann es passieren, dass trotz vollständiger Abhängigkeit von personeller Hilfe im Bereich der Module 2 und Module 3 keine und im Bereich des Moduls 6 Beeinträchtigungen nur im geringen Maß vorliegen, so dass die Gesamtpunkte unter 90 lägen.
Vollständiger Verlust der Greif-, Steh- und Gehfunktionen
In den Begutachtungsrichtlinien wird dazu erklärt:
„Das Kriterium der 'Gebrauchsunfähigkeit beider Arme und beider Beine' umfasst nicht zwingend die Bewegungsunfähigkeit der Arme und Beine, die durch Lähmungen aller Extremitäten hervorgerufen werden kann. Ein vollständiger Verlust der Greif-, Steh- und Gehfunktion ist unabhängig von der Ursache zu bewerten. Dies kann z. B. auch bei Menschen im Wachkoma vorkommen oder durch hochgradige Kontrakturen, Versteifungen, hochgradigen Tremor und Rigor oder Athetose ⇗ bedingt sein. Eine Gebrauchsunfähigkeit beider Arme und beider Beine liegt auch vor, wenn eine minimale Restbeweglichkeit der Arme noch vorhanden ist, z. B. die Person mit dem Ellenbogen noch den Joystick eines Rollstuhls bedienen kann, oder nur noch unkontrollierbare Greifreflexe bestehen.“ (BRi, 2017, Abschnitt 4.9.1 (Schlussteil))
Kommentar:
Mit der „besonderen Bedarfskonstellation“ wurde eine Konstruktion erdacht, die das Potential hat einige Härten abzufangen, die sonst nicht in die Formulare passen. In den BRi wird 2017 formuliert: „Als besondere Bedarfskonstellation ist nur ...“ – das bedeutet: nichts anderes als der „vollständige Verlust der Greif-, Steh- und Gehfunktionen“ wird seit 2016 als „besondere Bedarfskonstellation“ anerkannt.
In den Diskussionen um die Pflegereform war 2014 zu lesen, dass es „Besondere Bedarfskonstellationen“ – Mehrzahl – geben werde, die automatisch zum höchsten Pflegegrad führten. An der Stelle wurde als Beispiel „Verhaltensauffälligkeiten mit Selbst- und Fremdgefährdung“ genannt (MDK BW, 2014). So bleibt zu hoffen, dass in einer künftigen Pflegereform noch weitere „besondere Bedarfskonstellationen“ hinzugefügt werden.
Quellen
– BRi (2017)
– MDK BW, 2014
[ausführliche Quellenangaben]